Mein Name ist Nena-Carola. Ich bin
Transgender und möchte mich gerne mit einigen Zeilen vorstellen.
Geboren wurde ich 1956. Ich war vielleicht fünf, sechs Jahre alt, als
ich merkte, daß ich es sehr schön fand, Kleidungsstücke meiner Mutter
näher zu betrachten, zu berühren und auch schon 'mal anzuziehen.
Natürlich waren die Sachen viel zu groß für mich, aber dennoch fühlte
ich mich dabei ausgesprochen wohl.
Sehr gut erinnere ich mich an einige Nächte, in denen ich heimlich aus
meinem Kinderzimmer in das Wohnzimmer meiner Eltern schlich. Meine
Mutter zog sich vorm Zubettgehen dort aus, und ich konnte ihre Kleidung
ganz heimlich ausprobieren. Das war immer wunderbar !
Der Bruder meiner Mutter wohnte damals auf dem Lande, wo ich an
Wochenenden und später dann auch in den Schulferien oft über mehrere
Tage zu Besuch war. Mein Onkel hatte vier Kinder, drei Töchter und
einen Sohn. Bei den üblichen Jungsspielen habe ich mit meinem Cousin
natürlich mitgemacht. Aber sehr viel lieber spielte ich mit meinen
Cousinen Spiele, bei denen die anderen Jungs aus dem Dorf nicht
mitmachten, weil es doch "Mädchenspiele" waren. Puppen, Gummitwist und
Kaufmannladen waren doch eher für die Mädchen da, aber genau hier
fühlte ich mich viel wohler. Und besonders toll war es für mich erst
recht, wenn wir einfach aus Spaß 'mal die Kleider tauschten und ich die
olle Buxe gegen einen hübschen Rock eine Zeitlang eintauschen konnte.
Mit sechzehn Jahren hatte ich meine erste Freundin. Ihre Mutter hatte
dieselbe Kleidergröße wie ich, und so ergab es sich einige Male, daß
ich ihre Kleider kurzfristig "auslieh". Die erste Jugendliebe dauerte
allerdings - leider - nicht lange.
Mit achtzehn lernte ich meine erste längerjährige Freundin kennen. Ihre
Eltern besaßen ein schönes, großes Haus. Auch verstand ich mich mit den
Eltern sehr gut und hatte schon bald ihr Vertrauen gewonnen. In den
drei Jahren unserer Freundschaft ergab sich oft die Gelegenheit,
Kleider von ihr oder ihrer Mutter zu tragen. Auch hier paßten so einige
Kleidungsstücke. Einige Male ergab es sich, daß ich bis spät in die
Nacht dort blieb und, wenn alles schlief, die Gelegenheit ergriff, das
Haus "en femme" zu erkunden. Bis zu diesem Zeitpunkt wußte niemand von
meinem Anderssein, und bis heute bin ich eigentlich noch erstaunt, daß
ich bei meinen kleinen Ausflügen nie erwischt wurde.
Es folgten Wehrdienst und Studium. Kaserne und Kleider passten nicht
gut zusammen, sehr wohl aber Studentenbude und Strumpfhose.
Während des zweiten Semesters habe ich mit Freundinnen und Freunden ein
privates, kleines Kellertheater gegründet und etwa drei Jahre geführt.
Travestie fand hier natürlich auch statt. Und meine private Travestie,
unter Ausschluß der Öffentlichkeit, ebenso. Es war wunderschön, nachts
alleine in dem kleinen Theater in den Fundus zu gehen, sich nach
Herzenslust zu bedienen, die Beleuchtung der Bühne einzuschalten und
meine eigene Privataufführung auf der Bühne zu proben !
In dieser Zeit bekam ich Kontakt zu einem professionellen Musiker, der
mich für seine Band engagierte. Vielleicht hätte ich schon ein paar
Zeilen früher erwähnen können, daß ich Musiker bin.
Auf Tourneen war es schwierig, mich auszuleben. Den kleinen Set - Rock,
BH und Strumpfhose - hatte ich zwar immer dabei, aber über Hotelflure
zu schleichen war nicht meine Sache.
Und dann lernte ich eine Frau kennen, bei der ich mich zum ersten Mal
traute, ihr von meiner weiblichen Seite zu erzählen. Es war schon eine
erhebliche Befreiung. Während unserer langjährigen Beziehung erweiterte
sich mein Gefühl, bekleidet als Frau mich zu bewegen, bekleidet als
Frau mich beobachtet zu fühlen und meine feminine Seite in ihrer
Gegenwart zu leben. Damals fing ich auch an, "en femme" außerhalb der
Wohnung spazieren zu gehen, allerdings nur nachts im Schutze der
Dunkelheit. Spätestens jetzt wurde mir völlig klar, daß meine
Gefühlswelt irgendwie anders tickt als bei anderen Männern, und das auf
eine Art und Weise, die ich überhaupt nicht beeinflussen konnte und die
ich ebenso wenig abschalten konnte.
In den nächsten Jahren lernte ich viele Menschen kennen, zu denen ich
Vertrauen fasste und mit denen ich völlig offen reden konnte.
Ich bin durchweg nur auf positive Reaktionen gestoßen. Viele gute,
freundschaftliche und teilweise sehr liebevolle Gespräche haben mir
geholfen, meine weiblichen und meine männlichen Anteile miteinander zu
vermengen und in Einklang zu bringen.
Im Alter von 45 Jahren lernte ich meine jetzige Lebensgefährtin kennen.
Sie weiß alles von mir und liebt mich, wie ich bin. Wir wohnen zusammen
und ich nutze annähernd jede Gelegenheit, so zu sein, wie ich bin. An
meinem Wunsch, mein weibliches Ich zu leben, hat sich nie etwas
geändert. Durch viele Gespräche mit anderen Transgendern, die ich auf
Grund der Möglichkeiten, die das Internet bietet, kennengelernt habe,
durch Erfahrungsaustausch von Erlebtem, aber auch durch ebenso
zahlreiche Gespräche mit "normalen" Menschen und deren positivem
Zuspruch bin ich jetzt an einem Punkt angekommen, an dem ich mich
selbst nicht nur toleriere und akzeptiere, sondern auch soweit frei von
Ängsten bin, daß die Frau in mir äußerlich und öffentlich erscheinen
und auftreten kann. Es ist einfach unbeschreibbar und für einen
Außenstehenden vielleicht nicht leicht nachzuvollziehen, bei einem
Stadtbummel oder bei einem Einkauf so sein zu können, wie ich bin, Frau
zu sein und als Frau wahrgenommen zu werden. In solchen Momenten ist
der Mann in mir völlig verschwunden !
Um NICHTS in der Welt würde ich meine weibliche Seite aufgeben !!!!
Ich bin so und finde es gut und möchte so bleiben !!!!
Wie geht es weiter ?
Hormone und Operation kommen für mich nicht in Frage. Die Frau in mir
hat sich mit ihrem Körper arrangiert. Bleibt die begründete Hoffnung,
daß Transgender irgendwann als ganz normale Mitglieder unserer
Gesellschaft angesehen werden.
Hoffentlich erlebe ich das noch !
Nena-Carola
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